Was ist ein Kultur-Bahnhof ?


Der Begriff "Kultur-Bahnhof" ist in Deutschland sehr verbreitet. Er wird verwendet für Bahnhofsgebäude, die heute gänzlich vom Bahnnetz abgehängt und wegen der Architektur zu Kunststätten geworden sind, z.B. der ehemalige "Hamburger Bahnhof" in Berlin, der heute das Museum für Gegenwart beherbergt. Oder es sind großzügig angelegte Bahnanlagen an Haltepunkten, die heute von der Bahn nicht mehr in diesem Umfang genutzt werden, z.B. Kassel Hauptbahnhof, der nach Eröffnung des ICE-Bahnhofes Kassel-Wilhelmshöhe Künstlern und für Veranstaltungen Räume bietet. Oder es sind Bahnhöfe wie z.B. der in Ratzeburg, wo mit sehr viel Engagement der noch in Betrieb befindliche Bahnhof durch ein breites Kunstangebot aufgewertet wird.

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Der Chor GRANSEER SPÄTLESE 2006 auf dem Bahnhofsvorplatz
© Bernd Herzog-Schlagk / UBD e.V.

In dieser Liga kann der kleine Bahnhof Dannenwalde nicht mitspielen. Und dennoch geschah hier nach der befristeten Wiedereröffnung am 2. Juni 1996 einiges, was durchaus als ungewöhnlich bezeichnet werden kann, zumindest in dieser dörflichen Region. Bereits zur Begrüßung des "Jubelzuges" wurde die Rampe vor der alten Lagerhalle entdeckt für Begrüßungsreden und auch für erste kulturelle Beiträge. Später erhielt die "Kultur-Rampe" dann gar einen dicken Vorhang und war der Mittelpunkt für Aufführungen, Musikdarbietungen z.B. bei den Bahnhofs-Festen.

Die Theatergruppe MODERNE NERVEN gastiert 2007 auf dem Weg nach Kopenhagen für eine Woche im Bahnhof
© Bernd Herzog-Schlagk / UBD e.V.

Da lediglich ein Teil der Rampe überdacht ist, das Publikum stets unter freiem Himmel oder unter der Linde sitzt, wurde vom FUSS e.V. der "Sonnen- und Regenschirm-Verleih" eingeführt. Nur ein einziges Mal musste eine Veranstaltung in ein Restaurant verlegt werden. Zum 5. Jubiläum der Wiedereröffnung 2001 reichte die Rampe als Bühne nicht mehr aus und so wurde der gesamte Bahnhofsvorplatz mit einbezogen. Beim 125. Bahnhofsjubiläum 2002 wurde dann die Festgesellschaft gar zur Festtafel an der Badestelle des Kleinen Wentowsees geführt. Gut geklappt hat über die vielen Jahre die Zusammenarbeit mit dem Verein "Kultur und Kirche am Weg" (siehe Vernetzung) und mit den Naturfreunden, die damals das Schloss betreuten. So fanden Veranstaltungen vor oder im Bahnhof, neben oder in der Kirche und im oder hinter dem Schloss statt. Beliebt waren kombinierte Veranstaltungen, z.B. wurden nach Fachseminaren in der Bahnhofs-Stube oder im Anschluss von Wanderungen und Radtouren kulturelle Veranstaltungen in der Kirche besucht.

Die Rapper CAFÉ INGWA auf der Bahnhofsrampe
© Bernd Herzog-Schlagk / UBD e.V.

Fast ausschließlich durch Bürgerengagement wurden diverse "Bahnhofs-Feste", "Herbstfeuer/Vereinigungsfeuer", das "Weihnachstbaum-Schlagen" (siehe Tannen-Bahnhof) und andere Veranstaltungen durchgeführt, zumeist mit einem vielfältigen Programm:

  • Ausstellungen über die Bahn oder die Dorferneuerung;
  • Volkshochschulseminare und Seminare über den naturnahen Tourismus;
  • Diskussionsrunden zum Naturschutz, zur Freizeitmobilität, über Naturkosmetik, aber auch zum Thema "Begegnungen und Toleranz" mit Prof. Helmut Seidel aus Leipzig und der AusländerInnen-Beauftragten des Landes Brandenburg;
  • Lesungen z.B. "Blumengedichte" von Frederike Frei "Von der BUGA in Potsdam zum BLUBA (Blumenbahnhof) in Dannenwalde" mit Klarinettenbegleitung oder von Helmut Horst im Zug von Oranienburg nach Dannenwalde aus den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" von Theodor Fontane;
  • Kleinkunst verschiedener Art, z.B. das Marionettentheater I. Lehmann;
Gemütliche Runde beim Konzert der Gruppe SPANDONIS 2015
© Ingo Seubert / UBD e.V.
  • Musikveranstaltungen mit Leierkasten, Akkordeon, Geige, Gitarrenspiel, Klarinetten, Blasorchester, "Lychener Tormusikanten", Gesang- und Tanzgruppen (z.B. Flamenco), der Liedermacher Steffen Kockel, die Jugend-Band "Linnecor", die "Spandauer Schilfrohrbläser", und sicher besonders herausragend das klassische Bläserensemble des Weltorchesters "Jeunesses Musicales - Weltblech" und nicht zuletzt
  • die maßgebliche Beteiligung an der im November 1998 durchgeführten „Bahnhofs-Kultur-Konferenz (BKK)“ im Schloss Dannenwalde

besiegelten die Tradition, dass der Bahnhof in Dannenwalde zu den Kulturorten in der Gemeinde und der Region wurde, also ein Kultur-Bahnhof.

Im Jahr 2004 änderte sich die Situation für den Verein Umweltbahnhof Dannenwalde UBD e.V. durch den Abzug des Bahnpersonals und der daraufhin folgenden Freistellung der meisten Gebäudeteile durch die DB. Der Verein musste sich stärker auf den Erhalt der Bausubstanz, auf Vandalismus-Schutz sowie auf die Option des Gebäudekaufes konzentrieren (siehe Gebäude). Darüber hinaus fanden Baumaßnahmen an der Strecke statt, die häufig zu unregelmäßigem und teilweise über Monate eingestelltem Zugverkehr führten. Deshalb fanden in den Folgejahren deutlich weniger kulturelle Veranstaltungen statt. Die Feierlichkeiten zum Jubiläum „20 Jahre Wiedereröffnung des Bahnhofes Dannenwalde“ 2016 mit einem größeren musikalischen Begleitprogramm mussten wegen baulicher Probleme sogar kurzfristig in den Nachbarort Seilershof als „Bahnhofs- und Waldfest“ verlegt werden. Die baulichen Unzulänglichkeiten (Strom, Wasser, Abwasser) konnten erst im Jahr 2018 beseitigt werden.

2020 diente der Bahnhof als Kulisse für den Spielfilm LIEBE DES LEBENS
© Bernd Herzog-Schlagk / UBD e.V.

2019 fand dann eine erste Kunstausstellung auf dem Bahnhofsvorplatz statt und 2020 folgte die erste Teilnahme am „Offenen Atelier Brandenburg“ (siehe Ausstellung). Diese Veranstaltungen waren für den Verein herausragende Ereignisse und die Anknüpfung an die Tradition als Kultur-Bahnhof. Sie sollen in den kommenden Jahren unbedingt fortgesetzt werden.

Haben wir Sie neugierig gemacht? Möchten Sie gerne mitwirken an der Weiterentwicklung des Kulturbahnhofes? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt auf.


Zum Schluss noch

Eine ungewöhnliche Idee aus Dannenwalde:

Ein ganz praktisches Beispiel dafür, dass das von der Tourismus-Branche so viel bejammerte Winterloch im sandigen Brandenburg durchaus mit neuen Ideen zu durchbrechen ist, lieferte die:

Die erste FAHRGASTLESUNG
in einem Zug der Deutschen Bahn.

Fahrgastlesung von Berlin nach Dannenwalde in einem Fahrradabteil 1998
© Hanna Schlagk / UBD e.V.

Aus der Pressemitteilung: „Etwas besonderes ausgedacht hat sich der FUSS e.V. mit einer Lesung im Zug am Samstag den 21. Februar ab Bahnhof-Charlottenburg (8.02) oder Bahnhof-Spandau (8.10) in Richtung Neustrelitz. Unter dem Motto `Der mobile Mensch in der Literatur´ gibt es keinen Vorleser, sondern lediglich einen Moderator. Vorlesen werden die Fahrgäste Textstellen bekannter und bisher noch nicht so bekannter Autoren der Weltliteratur. Von Goethe bis Elias Canetti, von Keri Hulme (Neuseeland) bis Dirk Brauns (Berlin-Pankow), von Franz Kafka bis Douglas Adams, von Rosenlöcher aus Dresden bis zu Tuiavii aus Tiavea usw. Sie werden sich noch wundern. Und natürlich werden weder Theodor Fontane, noch Bertolt Brecht fehlen, die Jubilare des Jahres. Es wird dabei schwerpunktmäßig um das Gehen gehen, denn der experimentierfreudige Verein lädt zu einer Tagestour ein; nach dieser Lesung wird es sehr praktisch: Es folgt eine insgesamt etwa 4 stündige Winterwanderung vom Bahnhof Dannenwalde nach Menz. Für Kinder ist die Teilnahme nicht zu empfehlen, ansonsten muss man halbwegs gut zu FUSS e.V. sein...." Diese Aktion aus dem Jahre 1998 wurde bedauerlicherweise danach nicht wiederholt, obwohl es deutlich mehr Anmeldungen gab als Plätze und es für alle Beteiligten ein außergewöhnlicher Wandertag war.
Aktuell sind derartige Aktivitäten im Zug aufgrund der enormen Zunahme des Besetzungsgrades auf dieser Linie RE5 und der Corona-Regelungen kaum noch möglich.

Die Planungen für das laufende Jahr finden Sie unter Termine.

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© Umweltbahnhof Dannenwalde UBD e.V.
Stand: April 2021